Keine Nachforschungspflicht hinsichtlich etwaiger Behandlungs- oder Aufklärungsfehler

Für den Beginn der Verjährungsfrist ist die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubiges von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erforderlich.

Dabei liegt grob fahrlässige Unkenntnis vor, wenn der Gläubiger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt im ungewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt und nicht beachtet, was jedem einleuchtet.
Dem Urteil lag der Sachverhalt zugrunde, dass es bei der Entbindung eines Kindes aufgrund des Einsatzes einer Geburtszange zu einem Dammriss, sowie einem Riss des unteren bis mittleren Vaginaldrittels gekommen ist, wodurch die Klägerin unter schmerzhaften Vernarbungen im gesamten Vaginalbereich litt.
Erst Jahre später teilte die Gynäkologin der Klägerin mit, dass diese Beschwerden möglicherweise auf eine fehlerhafte medizinische Behandlung bei der Entbindung zurückzuführen sind.
Dem stand jedoch der Einwand entgegen, dass die Klägerin schon unmittelbar nach der Entbindung Kenntnis von ihren Verletzungen hatte und etwaige Ansprüche bereits verjährt sind.

Der BGH lehnt eine Verjährung der Ansprüche aufgrund mangelnder Fahrlässigkeit der Klägerin ab. Demnach muss der Patient in Arzthaftungssachen aus einem entstandenen Schaden nicht zwingend auf Behandlungs- oder Aufklärungsfehler schließen. Allein der negative Ausgang einer Behandlung führt nicht dazu, dass der Patient ohne weitere Anhaltspunkte Nachforschungen hinsichtlich etwaiger Behandlungs- oder Aufklärungsfehler anstellen muss, um eine Verjährung seiner Ansprüche zu vermeinden. Insbesondere weden gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht selten als schicksalhaft angesehen, was dem Betroffenen nicht zum Vorwurf gemacht werden darf.
 
Bundesgerichtshof, Urteil BGH VI ZR 247 08 vom 10.11.2009
Normen: 2009-11-10
[bns]